Anwalt Pflichtteilanspruch München

Was bedeutet Pflichtteilanspruch?

Der Pflichtteilanspruch (häufig auch Pflichtteilsanspruch genannt) ist ein reiner Geldanspruch gegen die Erben. Er steht bestimmten nahen Angehörigen zu, wenn sie ganz oder teilweise von der Erbfolge ausgeschlossen wurden. Ziel des Pflichtteilsrechts ist es, diesen Angehörigen einen Mindestanteil am wirtschaftlichen Wert des Nachlasses zu sichern – unabhängig davon, wie der Erblasser sein Testament gestaltet hat.

Der Pflichtteil wird nicht in Form einzelner Nachlassgegenstände gewährt, sondern als Geldzahlung. Anspruchsgegner sind in der Regel die Erben, die aus dem Nachlass oder aus eigenem Vermögen zahlen müssen.

Rechtsgrundlagen des Pflichtteilanspruchs

Die zentralen Vorschriften zum Pflichtteil finden sich im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB). Wichtige Normen sind insbesondere:

Zentrale Vorschriften

  • § 2303 BGB – Pflichtteilsrecht des enterbten Ehegatten und der Abkömmlinge
  • § 2309 BGB – Pflichtteilsrecht der Eltern
  • § 2310 BGB – Berechnung des gesetzlichen Erbteils
  • § 2317 BGB – Entstehung und Fälligkeit des Pflichtteilsanspruchs
  • §§ 2314, 2315 BGB – Auskunftsrechte und Anrechnung von Zuwendungen
  • §§ 2325 ff. BGB – Pflichtteilsergänzungsanspruch bei Schenkungen
  • § 2332 BGB – Verjährung des Pflichtteilsanspruchs

Diese Vorschriften regeln, wer pflichtteilsberechtigt ist, wie hoch der Pflichtteil ausfällt, wie sich Schenkungen auf den Anspruch auswirken und innerhalb welcher Fristen der Anspruch durchgesetzt werden muss.

Detaillierte Erklärung des Pflichtteilanspruchs

Wer ist pflichtteilsberechtigt?

Pflichtteilsberechtigt sind nur bestimmte, gesetzlich festgelegte Personen:

  • Abkömmlinge des Erblassers (Kinder, Enkel, Urenkel),
  • der Ehegatte oder eingetragene Lebenspartner und
  • unter bestimmten Voraussetzungen die Eltern des Erblassers.

Andere Verwandte – etwa Geschwister oder weiter entfernte Verwandte – haben regelmäßig keinen Pflichtteilsanspruch.

Wann entsteht ein Pflichtteilanspruch?

Der Pflichtteilanspruch entsteht, wenn ein Pflichtteilsberechtigter:

  • durch Testament oder Erbvertrag enterbt wurde oder
  • nur mit einer geringeren Quote als der gesetzlichen Erbquote eingesetzt wurde.

Mit dem Tod des Erblassers wird der Anspruch sofort fällig. Eine besondere Geltendmachungserklärung gegenüber dem Nachlassgericht ist nicht erforderlich, wohl aber die außergerichtliche oder gerichtliche Inanspruchnahme der Erben.

Höhe des Pflichtteilanspruchs

Die Höhe des Pflichtteils bemisst sich nach:

  1. der gesetzlichen Erbquote des Berechtigten und
  2. dem Nettonachlass (Aktiva minus Verbindlichkeiten).

Der Pflichtteil beträgt grundsätzlich die Hälfte des gesetzlichen Erbteils. Zur Berechnung werden zunächst die gesetzliche Erbquote festgestellt und der Nachlass bewertet. Anschließend wird hiervon die Pflichtteilsquote (½ der gesetzlichen Erbquote) gebildet und mit dem wirtschaftlichen Wert des Nachlasses multipliziert.

Beispiel (vereinfachtes Schema):

  • Gesetzlicher Erbteil: 1/2
  • Pflichtteilsquote: 1/4
  • Nettonachlass nach Abzug aller Verbindlichkeiten: 400.000 €
  • Pflichtteil in Geld: 400.000 € × 1/4 = 100.000 €

Auskunfts- und Wertermittlungsrechte

Um die Höhe des Pflichtteilanspruchs berechnen zu können, benötigt der Pflichtteilsberechtigte Informationen über Zusammensetzung und Wert des Nachlasses. Hierzu dient der Auskunftsanspruch. Typische Elemente sind:

  • Anspruch auf Auskunft über den gesamten Nachlass,
  • Anspruch auf Erstellung eines Nachlassverzeichnisses, ggf. auch in notarieller Form, und
  • Anspruch auf Wertermittlung bestimmter Nachlassgegenstände, etwa Immobilien oder Unternehmensbeteiligungen, durch Sachverständigengutachten.

Ohne diese Informationen ist eine verlässliche Berechnung des Pflichtteils kaum möglich.

Spezielle Regelungen: Pflichtteilsergänzungsanspruch und Verjährung

Pflichtteilsergänzungsanspruch bei Schenkungen

Der Erblasser kann den Pflichtteilswert nicht beliebig dadurch reduzieren, dass er zu Lebzeiten Vermögen verschenkt. In vielen Fällen steht den Pflichtteilsberechtigten ein Pflichtteilsergänzungsanspruch zu. Dabei werden bestimmte Schenkungen, die der Erblasser zu Lebzeiten vorgenommen hat, dem Nachlass fiktiv wieder hinzugerechnet.

Grundlagen:

  • Schenkungen der letzten zehn Jahre vor dem Erbfall können berücksichtigt werden.
  • Der anrechenbare Wert „schmilzt“ mit zunehmender zeitlicher Distanz zum Erbfall ab.
  • Sonderregeln gelten bei Schenkungen an den Ehegatten und bei Nießbrauchs- oder Wohnrechtsvorbehalten.

Der Pflichtteilsergänzungsanspruch richtet sich, je nach Konstellation, gegen die Erben oder gegen den Beschenkten.

Verjährung des Pflichtteilanspruchs

Pflichtteilsansprüche unterliegen der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren. Die Frist beginnt am Ende des Jahres, in dem der Pflichtteilsberechtigte:

  • vom Erbfall und
  • von seiner Enterbung oder Benachteiligung Kenntnis erlangt hat.

Unabhängig davon gilt eine absolute Verjährungsfrist von 30 Jahren ab dem Erbfall. Nach Ablauf der Verjährung kann der Anspruch gegen den Willen des Schuldners nicht mehr durchgesetzt werden.

Pflichten und Rechte der Beteiligten

Rechte des Pflichtteilsberechtigten

Der Pflichtteilsberechtigte hat insbesondere:

  • einen Geldanspruch in Höhe des errechneten Pflichtteils,
  • einen Auskunftsanspruch gegenüber den Erben,
  • einen Anspruch auf Erstellung eines Nachlassverzeichnisses (gegebenenfalls notariell) und
  • einen Anspruch auf Wertermittlung einzelner Nachlassgegenstände.

Diese Rechte ermöglichen es, den Pflichtteilsanspruch sachgerecht zu beziffern und durchzusetzen.

Pflichten der Erben

Die Erben sind verpflichtet,

  • vollständige und richtige Auskunft über den Nachlass zu erteilen,
  • ein Nachlassverzeichnis zu erstellen und auf berechtigten Wunsch ein notarielles Nachlassverzeichnis vorzulegen,
  • erforderliche Unterlagen und Belege zur Verfügung zu stellen und
  • den geschuldeten Pflichtteil fristgerecht zu zahlen, wenn der Anspruch der Höhe nach feststeht.

Verweigern Erben die Auskunft oder Zahlung, kann der Pflichtteilsberechtigte seine Ansprüche gerichtlich durchsetzen, etwa im Rahmen einer Stufenklage (zunächst Auskunft und Wertermittlung, anschließend Zahlung).

Tipps & Empfehlungen aus der Praxis

  • Fristen im Blick behalten: Der Pflichtteilanspruch verjährt regelmäßig nach drei Jahren. Ein zu langes Zuwarten kann Rechte kosten.
  • Auskunft strukturiert einfordern: Eine klare, schriftliche Aufforderung zur Auskunft und zur Vorlage eines Nachlassverzeichnisses schafft eine Grundlage für weitere Schritte.
  • Bewertung prüfen lassen: Insbesondere bei Immobilien, Unternehmensbeteiligungen oder komplexen Vermögensstrukturen kann eine sachverständige Bewertung entscheidend sein.
  • Vergleich sorgfältig prüfen: Ein schneller Vergleich ohne gesicherte Daten zur Nachlasshöhe birgt das Risiko von erheblichen wirtschaftlichen Nachteilen.
  • Frühzeitig anwaltliche Beratung nutzen: Eine qualifizierte Einschätzung hilft, Chancen und Risiken realistisch einzuschätzen, Verjährung zu vermeiden und eine sinnvolle Verhandlungsstrategie zu entwickeln.

Haben Sie Fragen zum Pflichtteilanspruch

Wer einen Pflichtteilanspruch durchsetzen möchte, steht häufig vor komplexen rechtlichen und wirtschaftlichen Fragen – etwa zur Nachlasszusammensetzung, zur Bewertung oder zum Umgang mit lebzeitigen Schenkungen. Gerade bei höheren Nachlasswerten, Immobilien oder Unternehmensvermögen empfiehlt sich eine frühzeitige, strukturierte Vorgehensweise.

Die Rechtsanwälte für Erbrecht von Steinbacher | Rechtsanwälte PartGmbB in München unterstützen Sie dabei, Ihren Pflichtteilanspruch rechtssicher zu bewerten, außergerichtliche Lösungen auszuloten und Ihre Ansprüche – falls erforderlich – konsequent gerichtlich durchzusetzen.